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Arbeitnehmerhaftung
Wo, wann und wie haftet eigentlich ein Arbeitnehmer?

Wer anderen einen Schaden zufügt, ist erst mal prinzipiell gemäß § 823 BGB zum Schadensersatz verpflichtet. Diese Regelung ist Ihnen allen bestens bekannt. Doch wie sieht es mit der Haftung als Arbeitnehmer gegenüber dem Arbeitgeber, den Arbeitskollegen oder Dritten (z. B. Kunden) aus? War da nicht irgendwas mit maximal drei Monatsgehältern?
Wir möchten Ihnen im Folgenden das ein oder andere Interessante rund ums Thema Arbeitnehmerhaftung mit auf den Weg geben.

Grundsätzliches
In der Regel handelt es sich um Fälle, bei denen Arbeitnehmer während der Erbringung ihrer Arbeitsleistung Schäden verursachen. Dies können Personen- oder Sach-, aber auch reine Vermögensschäden sein. Sie können den Arbeitgeber selbst, andere Mitarbeiter, Kunden oder sonstige Dritte, die mit dem Unternehmen nicht in einer Vertragsbeziehung stehen, treffen.

Haftungsgrundlagen
Sofern Dritte geschädigt werden, stellt sich zunächst die Frage, ob der Arbeitgeber überhaupt für seinen Mitarbeiter haftet. Dies ist im allgemeinen Zivilrecht unter § 278 BGB für die vertragliche und so § 831 BGB für die deliktische Haftung geregelt. Schwieriger zu klären ist die Frage, ob denn der Arbeitnehmer persönlich für die Schäden aufkommen muss, die er im Rahmen der Erbringung seiner Arbeit verursacht hat. Hier greifen gesetzliche Sonderregelungen, vor allem im Bereich des Unfallversicherungsrechts gemäß § 105 Abs. 1 SGB VII. Darüber hinaus gibt es eine Reihe von Grundsätzen, die für die Besonderheiten des Arbeitsrechts gelten.

Vertragliche Schadensersatzhaftung
Die Norm für die vertragliche Schadensersatzhaftung ist § 280 BGB. Danach muss der Vertragspartner, der schuldhaft eine vertragliche Pflicht verletzt, dem Anderen den aus der Pflichtverletzung entstehenden Schaden ersetzen.
Außerdem gilt die Beweislastumkehr nach § 619a BGB. Das Verschulden wird nicht nach § 280 Abs. 1 BGB vermutet, sondern der Arbeitgeber muss dem Arbeitnehmer die Pflichtverletzung nachweisen. Der Arbeitnehmer genießt auch insoweit ein Haftungsprivileg, dass er nicht nach dem „Alles-oder-nichts-Prinzip“ des § 249 BGB, sondern bei grober Fahrlässigkeit eventuell nur anteilig und eingeschränkt zur Haftung herangezogen werden kann.
Die vertragliche Haftung des Arbeitnehmers greift in der Regel nur gegenüber dem Arbeitgeber, da zwischen dem Arbeitnehmer und dem Dritten kein Vertragsverhältnis besteht. Jedoch kann es zu einer mittelbaren vertraglichen Haftung gegenüber dem Dritten kommen, wenn der Mitarbeiter dem Unternehmen wegen einer Vertragspflichtverletzung zum Schadenersatz verpflichtet ist und der Schaden des Arbeitgebers in der Einstandspflicht gegenüber dem Dritten besteht. Sollte der Arbeitnehmer also dem Unternehmen einen Schaden zufügen (durch Vertragspflichtverletzung), durch den das Unternehmen eine Vertragspflichtverletzung gegenüber einem Kunden begeht, ist der Arbeitnehmer in der mittelbaren vertraglichen Haftung.

Deliktische Haftung
Hier kommt wieder § 823 BGB zum Tragen. Der Arbeitnehmer haftet hier, wenn er einen Dritten vorsätzlich oder
fahrlässig an bestimmten Rechtsgütern (Leben und Gesundheit, Freiheit, Eigentum und anderen absoluten Rechtsgütern)
verletzt.

Der Arbeitnehmer haftet auch, wenn er gegen gesetzliche Vorschriften verstößt, die zum Schutze von Dritten bestehen (§ 823 Abs. 2 BGB). Dies gilt vor allem bei Verkehrsverstößen oder Verstößen gegen das Strafgesetz. Eine eher untergeordnete Bedeutung hat hier die Haftung für vorsätzliche sittenwidrige Schädigungen gemäß § 826 BGB.

Schädigung von Arbeitskollegen (Personenschäden)
In der Regel kommen bei Personenschäden von Arbeitskollegen die Ansprüche aus dem Bereich der deliktischen Haftung. Eine vertragliche Haftung kann hier nur zustande kommen, wenn man die im Arbeitsvertrag genannte Pflicht zur Einhaltung von Arbeitsschutzbestimmungen verletzt und somit eine Schutzwirkung zugunsten der Kollegen entfaltet werden kann.

Die Haftung für Personenschäden unter Arbeitskollegen ist jedoch in den meisten Fällen nach § 105 Abs. 1 SGB VII ausgeschlossen. Denn hier greift die gesetzliche Unfallversicherung. Diese tritt ein, wenn eine Person durch eine betriebliche Tätigkeit oder einen Arbeits- oder Wegeunfall von Versicherten desselben Betriebs (nicht vorsätzlich und nicht im allgemeinen Straßenverkehr) verletzt wird. Dem allgemeinen Haftungsregime unterfallen also nur solche Personenverletzungen von Kollegen, die
• vorsätzlich herbeigeführt wurden,
• im allgemeinen Straßenverkehr erfolgt sind oder
• nicht betrieblich veranlasst wurden.
Etwas problematisch ist die Beurteilung, welche Schäden nicht betrieblich veranlasst sind. Die Rechtsprechung
geht hier von der Faustformel aus, dass dies solche Schäden sind, die nur zufällig bei der Erbringung der Arbeitsleistung
erfolgt sind.

Beispiel: Ein Mitarbeiter benutzt für den Weg von seinem Arbeitsplatz zur Betriebskantine einen Gabelstapler und
verletzt dabei den auf der Staplergabel mitfahrenden Kollegen. Haftung gegenüber dem Arbeitgeber (Arbeitnehmerhaftungsprivileg)
Gründe für die Haftung sind auch hier die allgemeinen Grundsätze. Lediglich die arbeitsrechtliche Besonderheit der Beweislastumkehr gemäß § 619a BGB sollte man hier beachten. Bis zum Jahr 1994 galten bei der sog. gefahrgeneigten Arbeit die Grundsätze des innerbetrieblichen Schadensausgleichs. Als innerbetrieblicher Schadensausgleich wird der Ausgleich von Schäden und Schadensersatzpflichten im Verhältnis zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer bezeichnet. Eine Haftung des Arbeitnehmers war ausgeschlossen, wenn die Tätigkeit für eine Schädigung besonders anfällig (fefahrgeneigt) war und sich lediglich „das allgegenwärtige Risiko eines gelegentlichen Fehlers“ verwirklichte. Daraus wurde dann in der Entscheidung des BAG vom 27.09.1994 (BAG GS 1/89 [A],BAGE 78, S. 56) das nach wie vor gültige Haftungsprivileg des Arbeitnehmers entwickelt. Die Haftung wird nämlich nach dem Grad des individuellen Verschuldens des Arbeitnehmers beurteilt.

Voraussetzung für eine Haftungsbegrenzung ist jedoch stets, dass die Tätigkeit betrieblich veranlasst war. Nutzt ein Arbeitnehmer z. B. einen Dienstwagen in seiner Freizeit, muss er im Schadensfall in voller Höhe haften. Diese Folgen können nur durch den Abschluss einer entsprechenden Versicherung (Vollkasko) vermieden werden. Darüber hinaus wird auch immer ein mitwirkendes Verschulden des Arbeitgebers bei der Schadenentstehung gemäß § 254 BGB berücksichtigt. Das betrifft u. a. Fälle, bei denen sich der Arbeitgeber hätte besser absichern
können: z. B. fehlende Unterweisung, mangelnde Aufklärung des Arbeitnehmers über die Gefahr eines Schadenseintritts, Missachtung der Arbeitsschutzvorschriften, mangelhaftes Arbeitsgerät etc. (BAG, Urt. v. 16.2.1995 8 AZR 493/93, NZA 1995, S. 565). Des Weiteren wird vom BAG auch eine umfassende Billigkeitsprüfung vorgenommen. Diese dient neben der Quotenfeststellung auch der Korrektur bei Vorsatz oder einfacher Fahrlässigkeit. Folgende Umstände werden darin berücksichtigt:
• die Gefahrgeneigtheit der Tätigkeit: je höher die Gefahr ist, dass bei der von dem Arbeitnehmer ausgeübten Tätigkeit ein Schaden eintritt, desto geringer haftet der Arbeitnehmer
• Stellung des Arbeitnehmers im Betrieb
• Arbeitsentgelthöhe
• die Arbeitsbelastung des Arbeitnehmers
• organisatorische Vorkehrungen des Arbeitgebers zur Schadenverhinderung
• Versicherbarkeit des Schadens
• die Berufserfahrung des Arbeitnehmers
• die Ausbildung des Arbeitnehmers
• persönliche Umstände des Arbeitnehmers
• bisheriges Verhalten des Arbeitnehmers

Die Mär von der generellen Haftungsbegrenzung auf drei Monatsgehälter des Arbeitnehmers hält sich ja schon lange in der Branche, ist jedoch völlig falsch. Dies wird zwar immer wieder gefordert, wurde aber bisher stets vom BAG abgelehnt. Denn bei gröbster Fahrlässigkeit wird auch dann die volle Haftung des Arbeitnehmers für angemessen
gehalten, wenn die Schadenssumme um ein Vielfaches höher ist als das monatliche Bruttoentgelt (BAG,Urt. v. 25.9.1997 8 AZR 288/96, NZA 1998, S. 310): Eine Narkoseärztin hatte einem Patienten Blutkonserven einer falschen Blutgruppe verabreicht und dadurch den Tod des Patienten verursacht. Der vom Gericht festgestellte Schaden betrug 110.500 DM).

Haftung gegenüber Dritten (Haftungsfreistellung)
Wird ein Dritter durch den Arbeitnehmer geschädigt, so haftet der Arbeitnehmer nach den allgemeinen deliktrechtlichen Grundsätzen. Der Umfang des Schadensersatzanspruchs richtet sich nach den allgemeinen Regeln der §§ 249 ff. BGB und ist selbst dann nicht begrenzt, wenn neben dem Beschäftigten auch das Unternehmen für den Schaden einstehen muss. Arbeitnehmer und Arbeitgeber sind dann Gesamtschuldner. Der Dritte kann den Schaden bei beiden in voller Höhe, insgesamt aber nur einmal geltend machen. Wenn der Geschädigte nun aber den Arbeitnehmer nach § 823 Abs. 2 BGB in Anspruch nimmt und nebenbei auch noch der Arbeitgeber haftet, wäre eigentlich der Arbeitnehmer nach § 840 Abs. 2 BGB aus dem betrieblichen
Innenverhältnis allein verantwortlich. Für den Arbeitnehmer ist es aber eher Zufall, ob der Schaden beim Arbeitgeber oder bei einem Dritten eintritt. Konkret würde das bedeuten, dass der Arbeitnehmer bei Schäden beim Arbeitgeber nicht haftbar zu machen ist, jedoch für Schäden bei Dritten voll haftbar gemacht werden kann. Dies ist jedoch nicht sachgerecht.
Daher findet auch bei der Verletzung eines Dritten der innerbetriebliche Schadensausgleich statt. Der Arbeitgeber muss den Arbeitnehmer also aus der Haftung gegenüber Dritten freistellen, sofern der Mitarbeiter gemäß den Grundsätzen der Haftungsprivilegierung nicht zum Schadensersatz herangezogen werden kann. Bei einfacher oder auch mittlerer Fahrlässigkeit besteht jedoch ein sogenanntes substanzielles Haftungsrisiko des Arbeitnehmers für Fälle der Insolvenz des Arbeitgebers.

Zur Verdeutlichung ein Beispiel:
Wenn man als Arbeitnehmer aufgrund leichtester Fahrlässigkeit einen Sachschaden in Höhe von 75.000 € an einer Maschine verursacht, die jedoch nicht im Eigentum des Arbeitgebers, sondern in dem der Bank steht, nützt einem der Freistellungsanspruch, den man gegenüber seinem Arbeitgeber hat, grundsätzlich dann nichts, wenn der Arbeitgeber nicht auch über die nötigen finanzellien Mittel (hier 75.000€) verfügt, um den Anspruch entsprechend gerecht werden zu können. Ist der Arbeitgeber nicht ausreichend liquide, so kann der Dritte (hier die Bank)
den Arbeitnehmer als Schadensverursacher in vollem Umfang haftbar machen. In der Regel wird diesem Risiko in Gestalt einer ausreichenden (Vollkasko-)Versicherung (mit möglichst geringer Selbstbeteiligung) entgegengewirkt. Da sich dies für den Arbeitnehmer (insofern keine entsprechende Versicherung besteht) durchaus zu einem existenzgefährdenden Problem entwickeln kann, darf man die Ausübung von Tätigkeiten mit geleasten oder finanzierten Gerätschaften so lange verweigern, bis der Arbeitgeber eine entsprechende Versicherung nachweislich abgeschlossen
hat.

Zusammenfassung der Rechtssituation

• Die Voraussetzung für die Arbeitnehmerhaftung ist eine Pflichtverletzung im Arbeitsverhältnis, die zu einem Schaden führt, den der Arbeitnehmer zu vertreten hat.
• Der Umfang der Haftung richtet sich nach dem Verschuldensmaßstab, also der Vorwerfbarkeit der Handlung, die zum Schadenseintritt geführt hat.
• Bei leichter Fahrlässigkeit haftet der Arbeitnehmer in der Regel gar nicht.
• Bei mittlerer Fahrlässigkeit wird der Umfang der Haftung zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer aufgeteilt. Dies ist die sogenannte Quotelung.
• Die Höhe der Quotelung hängt von mehreren Faktoren ab.
• Bei grober Fahrlässigkeit und Vorsatz haftet der Arbeitnehmer in der Regel für den vollen Schaden. Ausnahme bei grober Fahrlässigkeit: die Schadenshöhe steht in einem extremen Missverhältnis zum Arbeitsentgelt des Arbeitnehmers.
• Der Haftungsumfang kann vertraglich begrenzt werden, z. B. durch Vereinbarungen in einem Tarifvertrag oder dem Arbeitsvertrag.
• Die Beweislast für das Verschulden liegt beim Arbeitgeber.

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